Mein erstes Training auf dem World Circuit Marco Simoncelli in Misano und mein erstes Mal mit dem Rennmöppi nach Italien stand vor der Tür.
Nach all den Diskussionen hier im Forum über den Zoll war mein Ziel auf alle unangenehme Fragen perfekt vorbereitet zu sein. Somit füllte sich mein Mäppli immer mehr mit Carnet ATA, Fahrzeugausweisen, Bewilligungen zur Benutzung eines Fahrzeuges durch Drittpersonen (an der Stelle ein Dankeschön an die KAPO Solothurn für die freundliche Unterstützung), CH-Aufklebern und einem Arztzeugnis.
Trotzdem trübte der ganze Aufwand meine Vorfreude auf Misano etwas und die Hinreise über den Gotthard war auch ohne Stau zäher als erwartet. Beim Zoll war das grösste Problem, den richtigen Schalter zu finden und wertvolle Zeit ging verloren.
Nachdem ich in Misano angekommen und über Feldwegen einmal um die Strecke gefahren bin, habe ich irgendwann sogar den Eingang zum Paddock gefunden und trotz unglaublich vielen Autos sofort Alessandros gelben Bus erblickt. Das ganze Paddock war überstellt mit Transportern, Wohnmobilen, Autos und LKWs. Einen Standplatz zu finden war nicht einfach aber ich konnte mich dann irgendwie in der Nähe von Alessandro, Mike und Reto dazwischenquetschen. Meine Stimmung war zu dem Zeitpunkt nicht auf dem Höhepunkt aber nach einem ersten echt italienischen Espresso vom Paddock-Café gleich vis à vis war alles wieder in Butter, das Wetter warm und schön. Nach dem Aufstellen bereitete ich das Motorrad vor, meldete mich an und freute mich auf mein Abendessen, welches ich wie immer vor der Abfahrt beim Thairestaurant meines Vertrauens abholen konnte.
Etwas erstaunt war ich dann aber beim Erkunden der "Sanitäranlagen". Tatsächlich nur so Stehklos? Unschöne Bilder, da einige im Umgang damit wohl nicht so geübt waren.
Am nächsten morgen ging es ans Briefing bei dem es nichts spezielles zu erlauschen gab. Gemütlicherweise wurde ich als Newcomer in die zweitlangsamste Gruppe eingeteilt und hatte dadurch genug Zeit bis zum ersten Turn.
Die ersten Runden auf einer neuen Strecke finde ich immer besonders reizvoll und ich fand bald einen ersten Rhythmus. Auch ohne Rauchpetarden bietet die Anlage eine beeindruckende Kulisse. Quercia, bei Tramonto oszillieren die Kurbs auf dem Visier, dann Curvone, Wow!
In dieser Arena kommt echtes GP-Feeling auf. Sogar mein Laptimer hat, nachdem Alessandro kurz an ihm rumgedrückt hat, sofort funktioniert. In Magny Cours hatte er den Dienst total verweigert und keine einzige Zeit geliefert. Die Gruppe bestand am Vormittag noch aus einem unentschlossenen Haufen Wildlinge und es war weit und breit keiner an dem ich mich orientieren konnte. Ich schaffte es aber, mich aus den Geplänkel zu befreien und konzentrierte mich zuerst auf den ersten Sektor, Variante del Parco und Rio, der mir oder meinem Motorrad zu liegen schien. Reifen waren zu dem Zeitpunkt ein sechs Tage alter SC3 vorne und hinten ein gut angefahrener SC1. Wie immer auf neuen Strecken vermisste ich eine Ganganzeige und probierte ein paar Schaltszenarios aus.
Der erste Turn war nur kurz und ich verliess die Strecke mit einer 1.56. was mich doch etwas positiv überraschte. Im zweiten Turn gab es als Zückerli obendrauf eine 1.53. wodurch ich bei der Neueinteilung eine Gruppe aufsteigen konnte. Allerdings spürte ich, dass diese 1.53.momentan das höchste der Gefühle sind und ich habe nicht weiter gepusht, sondern nur meine Runden gedreht und an der Linie gefeilt. Am Nachmittag fand ich dann noch eine Sekunde und ich kratzte an der 51er Zeit. Aber der Tag neigte sich langsam zu Ende und mit ihm meine Reifen. Kurz unter die Dusche, einen Espresso und dann ans Reifenwechseln. Zu meinem Erschrecken hatte der Reifendienst aber schon zu als ich mit meinen Rädern kam.
Ich wusste zwar, dass Alessandro ein Reifenmontiergerät dabei hatte aber ich wusste auch dass er mit dem Trottinet auf der Strecke unterwegs war um seinen Tankdeckel zu suchen. Anschliessend wollte er gemütlich essen gehen und er wird wohl kaum Spass daran haben nochmals alles auszupacken um mit mir beide Reifen zu wechseln. 
Doch kaum waren er und Mike zurück wurde kurzerhand in die Hände gespuckt und kurze Zeit später konnte ich schon wieder die Reifenwärmer aufziehen. 
Seit langer Zeit habe ich wiedereinmal Dunlop Reifen montiert. Vorne den KR106 MS4 und hinten zunächst einen KR108 MS4. Den habe ich aber am nächsten Tag nach dem ersten Turn gegen einen MS2 zwei ersetzt. Der Wechsel von Pirelli auf Dunlop hat sich zu dem Zeitpunkt nicht als optimal erwiesen. Meine Schaltstrategie von gestern schien auf einmal nicht mehr zu funktionieren und ich hatte das Gefühl nicht mehr ganz so gut aus den Kurven rauszukommen. Das Heck bekam leichte Tendenz zu pumpen. Im hinteren Teil der Strecke konnte ich mich hingegen etwas verbessern aber so wie es ausschaute, konnte ich die 51er Zeit heute nicht mehr schaffen. Doch man soll den Tag nicht vor dem Abend loben: Letzter Turn zweitletzte Runde 1.51.5, letzte Runde 1.51.4. Na also, lieber spät als nie..
Am Donnerstag standen am morgen noch ein Turn und dann die Rennen auf dem Programm. Ich konnte mich knapp nicht für das Over 750 Rennen qualifizieren und durfte dafür im Best of the Rest 1, bei dem auch Alessandro, Mike und Reto dabei waren, von Startplatz 2 losfahren. Gestartet werden sollte aus der Boxengasse mit zwei Einführungsrunden. Kurz vor dem Abbocken ging noch die Meldung durchs Paddock, dass es im 600er Rennen einen Motorenplatzer mit riesiger Ölspur gegeben hat. Wo? In Curvone, Ideallinie. Ah, Ok..
In der Startaufstellung steht vor, bzw. links neben mir, ein sich Supermela nennender Italiener der sogar einen in seinen Farben gestalteten Sonnenschirm dabei hatte. Seine Tochter hielt grinsend den Schirm, seine Frau knipste mit dem Handy ein Foto. Wir Thumpsuppen (
) uns zu. Er machte auf mich den Eindruck als hätte er hier auf dem Circuit in Misano seine Kindheit verbracht. Ihn galt es also zu schlagen. Meine Strategie war ihn zuerst zu studieren und wenn möglich unter Druck zu setzen. Ich wollte ihn nicht einfach blind überholen um danach der gejagte in seinem Territorium zu sein. Plan B: Einfach mal schauen was passiert 
. Dann ging es auf die Einführungsrunden. Der Vorfahrer wählte seine Linie genau über die ganze Ölspur als wollte er sie testen. Ich dachte er wird uns sicher zeigen wie man sie umgeht und ich fuhr ihm genau hinter her. Kleine Schrecksekunde aber immerhin wusste ich jetzt dass die Reinigungsmassnahmen eine gewisse Wirkung zeigten. Schon am Morgen im "Warm Up" spürte ich die beiden Tage in den Knochen und eine Stunde mehr Schlaf hätte wohl auch nicht geschadet. Zudem hatte ich dummerweise einen platschvollen Tank, auch nicht das gelbe vom Ei für ein Sprintrennen. Aber was solls, es geht hier schliesslich um den Rennsieg beim legendären BotR1 Rennen. Wo winken kurzfristig mehr Ruhm und Ehre und die Aussicht auf ein Stück Chromstahlblech? Also nochmal volle Konzentration! Der Start ging dann jedenfalls schonmal in die Hosen und Ende der Ziegeraden hat sich bereits eine kleine Lücke aufgetan. Halb so wild, jetzt kommt mein Sektor und ich kann mich wieder einwenig ranfahren. Hinter mir dröhnt es wie wild und ich komme selber unter Druck. Quercia klappt recht gut, schön reingebremst, gute Linie und wieder etwas Boden gutgemacht. Hinter mir wird es etwas leiser. Supermela ist gut unterwegs, Curvone und der Teil bis zur Zielgeraden kennt er wie seine Westentasche. Ich schaffe es irgendwie ihm zu folgen. Nach der Zielgeraden zeigt er eine Schwäche. Er überschiesst fast, sein Heck stellt sich quer und er geht etwas weit. Sofort ist die Lücke geschlossen und ich jage ihn bis nach Tramonto. Dort hat er wieder ein leichtes Bremsproblem und ich kann mich Ausgangs Kurve neben ihn stellen. Aber da ich a) meine Strategie nicht schon über Bord werfen will b) nicht wahnsinnig genug bin um ihn in der eingeölten Curvone Ellbogen an Ellbogen innen zu attackieren und c) seine SC59 gut läuft, hat er nach Curvone die Nase wieder vorn. Mein Möchtegern-Angriff scheint ihn so zu beflügeln dass er von diesem Zeitpunkt nichts mehr anbrennen lässt. Der Käse war gebissen und am Ende gewinnt er mit einer Diff.-Time von 2.0 Sekunden.
Natürlich war ich glücklich über den zweiten Rang aber ich hatte mir auch etwas mehr Drama und insgeheim auch ein kurzes "Trittst im Morgenrot daher" bei der Siegerehrung erhofft. Zusammen mit dem überglücklichen Alessandro, der es vom 10. auf den 3. Platz geschafft hat auf dem Podest zu stehen war aber natürlich eine wunderbare Sache.
Danach habe ich zusammengepackt, geduscht und bin zufrieden nach Hause gefahren.
